Momentaufnahmen: Gerade habe ich einen 4-teiligen „Schnupperkurs Schach“ an einer Realschule gegeben: 5. Klasse, „nur“(!) etwa 20 Kinder, Verteilung Mädchen : Jungs etwa gleich, Anteil von Kindern mit Migrationsgeschichte sehr hoch.
Selbstverständlich schätze ich jedes einzelne Kind wert und freue mich über das Aufblitzen von Interesse und durchaus auch über die eine oder andere vorlaute Bemerkung; sonst würde ich mich hier gar nicht engagieren! Schach soll ja und ist potentiell sicher einer der vielleicht attraktivsten und effektivsten Wege, Kinder spielerisch „zu sich selbst zu bringen“ – oder modern ausgedrückt: Die „exekutiven“ (Lern-)Funktionen wie Impulskontrolle, Aufmerksamkeitslenkung, Infomationsverarbeitung etc. anzuregen. Und mit über 40 Jahren Trainerpraxis im Leistungs- und Nachwuchssport habe ich vermutlich ein dickeres Fell als so manche junge Lehrerin, die hier 5 Tage – 6 Stunden an der Front ist. Denn: Die Bandbreite mangelnder Lernfähigkeit oder -bereitschaft reicht von „Apathie bis Hyperaktivität“; und das ist gerade keine Kritik an den Kindern, denn die Ursachen liegen zweifellos anderswo. Umso trauriger ist, dass eine Minderheit derer, die wach, aufmerksam, interessiert, motiviert, lernfähig und -bereit sind, von eben der Mehrheit an jeglichem möglichen Lernfortschritt ziemlich gehindert wird.
So dauert der obligatorische Corona-Test (in der 1. Stunde) statt „theoretisch“ 2-3 Minuten mindestens 10, wird jede klitzekleine Ablenkungschance willentlich oder zwanghaft für eine Unterbrechung genutzt, ist eine Information, die „gerade eben“ kommuniziert wurde schon nach wenigen Augenblicken nicht mehr abrufbar…
Vermutlich ist es nicht verfehlt oder übertrieben, von einer (verständlichen) Resignation der Lehrkräfte zu schreiben – der Unterricht ist in dieser Atmosphäre quasi vergeblich und fruchtlos, Ressourcen-, Geld- und Zeitverschwendung! Und das gilt zwar auch für den dann recht mühsamen Schachkurs, aber für die regulären Fächer umso mehr!!!
Was ist da los? Übermüdung, Bildschirmüberlastung, Frühstückslosigkeit sind die eine, eher physische Seite – Realitätsverluste, Orientierungs- und Perspektivlosigkeit, Selbstverunsicherung die andere, eher psychologisch-emotionale. Und das alles hat mit „Corona“ ursächlich nichts zu tun, wurde dadurch aber sicherlich noch verschärft. Getestete Kinder tragen (freiwillig) Masken – ihre mündlichen Beitrage verhallen undeutlich im „off“…
Was ist oder wäre zu tun? 1. Man kann darüber streiten, welches Frühstück wirklich „gehirnfreundlich“ ist – eine Banane oder ein Apfel wären schon hilfreich. 2. Fünf Minuten Bewegungsimpulse zu Beginn jeder (!) Unterrichtsstunde zwecks „Energieabfuhr“ und/oder „Aktivierung“ unbedingt. 3. Meditative Übungen zur Entspannung bzw. Achtsamkeitssförderung und Selbstwahrnehmung einfach notwendend. 4. Geeignete Angebote zur Angstreduktion und Förderung von Orientierung und Selbstsicherheit – ohne diese „soft skills“ können selbst elementare Kenntnisse der Mathematik, der Sprachen etc. nicht wirklich vermittelt und auch nicht erwartet werden!
5. Sicher spielt die familiäre Situation eine wichtige Rolle, dünnes Eis; hier wäre ein Heer – man verzeihe mir den militärischen Begriff – von sozialpädagogischen Fachkräften erforderlich, der politische Wille dazu mehr als wünschenswert, wenn es in „zehn Jahren“ nicht noch heftiger „drunter und drüber“ gehen soll.